Schlagwort-Archive: Kemetic Orthodoxy

A wie … Authentizität

Als authentisch gilt ein […] Inhalt, wenn beide Aspekte der Wahrnehmung, unmittelbarer Schein und eigentliches Sein, in Übereinstimmung befunden werden. Die Scheidung des Authentischen vom vermeintlich Echten oder Gefälschten kann als spezifisch menschliche Form der Welt- und Selbsterkenntnis gelten.
[…]
Angewendet auf Personen bedeutet Authentizität, dass das Handeln einer Person nicht durch äußere Einflüsse bestimmt wird, sondern in der Person selbst begründet liegt.

   Quelle: Wikipedia

Ein Begriff, der interessanter Weise immer wieder im Zusammenhang mit dem (Neo)Paganismus/Heidentum auftritt ist der Begriff der Authentizität.

In der Regel ist er, meiner Meinung nach, mit dem Bedürfnis verwoben, dem eigenen (heidnischen) spirituellen Pfad (s)eine Art „Daseinsberechtigung“ zu geben.
Dabei wird  vor allem der Blick und die Energie in aller erster Linie daraufhin verwandt, die eigenen religiösen wie magischen Praktiken  möglichst „orginal“ und „rein“ zu halten und so zu gestalten, wie es diejenigen getan haben (könnten), die vormals diesen Glauben und diese Religion praktizierten.

Sowohl auf Grund des Bedürfnisses nach „Echtheit“ als auch dem Bedürfnis der Menschen, einem Weg zu folgen, der auf Grund von Schriften, Funden, o.ä. nachweisbar ist, entstanden/entstehen rekonstruktionistische Gruppierungen.
Diese versuchen auf der Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Befunden (einschließlich erhaltener Überlieferungen) eine neue (alte) Tradition ins Leben zu rufen, die auf alten Glaubens-und Religionsvorstellungen beruht, aber in der heutigen Zeit leb-und praktizierbar ist. Als Beispiel sei hier das Celtic-Recon (CR) oder das Kemetische (altägyptische) Recon genannt.

Neben diesen stehen diverse neuheidnische Traditionen (der Einfachheit im weiteren “Trads” genannt), die darüber hinaus ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, aufgrund diverser Quellen “authentisch(er)” zu sein als andere, wie z.B. (Teile) des British Traditional Wicca (BTW).

Warum das Thema Authentizität zum Buchstaben “A” und als ein Thema für das Blog?
Ich beobachte in den letzten Jahren immer wieder, wie Recons und Trads gerne auf diejenigen herabschauen, zeitweilig auch “eindreschen”, die einen Pfad gehen, den sie sich selber entwerfen.
Die sich Ausprobieren (müssen, weil kein anderer da) und die in ihre religiös-spirituelle Praxis das aufnehmen, von denen ihnen ihre Erfahrung sagt, dass es für sie richtig und gut ist.
Daraus entstehen dann Wege, die ein Konglomerat sind von, zum einen, den unterschiedlichsten Pantheonen, zum anderen auch von den unterschiedlichsten magisch-spirituell-religiösen Praktiken.

Einige (sicherlich nicht alle, es wäre unfair, sie über einen Kamm zu scheren) Recons und Trads neigen dazu, diese von ihnen als “Patchwork-Religion” betitelten Wege weder ernst zu nehmen noch ihnen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.
Zum einen werfen sie den “Patchworkern” vor, nicht “ernsthaft” genug an einer nachweislich “alten” Tradition interessiert zu sein, zum anderen mangelndes Interesse und Respekt. – Auch vor ihnen als Vertreter derer, die diese Weg in aller Konsequenz gehen.

Nun, ich persönlich Maße mir nicht an irgendjemandem oder irgeneiner so schnell ihre Authenzität abzusprechen. Sicher behalte ich mir auch eine gewisse Skepsis vor und amüsiere mich hier und da auch über (für mich) besonders kuriose Dinge, doch letztendlich ist eben die Frage: Wer oder was ist authentisch? Und wer ist überhaupt berechtigt zu sagen: “Ich bin authentisch in meinem Weg, aber DU nicht!”?

Die Problematik zwischen Trads/Recons und “Patchworkern” verschärft sich dann auch noch besoners, wenn die Patchworker sich auch noch “erdreisten” Beriffe zu verwenden, die eben aus den spezifischen Traditionen/Religionen stammen.
Zum Teil nimmt es sogar so kuriose Formen an, dass diese sagen, Patchworker sollten sich für ihre Götter eigene/andere Namen suchen, weil so wie sie die Götter schildern, ihnen begegnen oder eben sie diese verehren sei es “falsch”, “Hirnspinnerei”, “Wuschdenken”.
Im schlimmsten Fall sehen sich manche sogar in ihren religiösen Gefühlen verletzt und beleidigt.

Zugegeben, bestimmte Begrifflichkeiten implizieren auch bestimmte Inhalte.
Wenn ich mich ausschließlich Kemetistin nenne, dann sollte mein Pantheon schon in aller erster Linie ägyptisch und meine spirituell-religiöse Praxis auch dementsprechend ausgerichtet sein und auch mein Weltbild dem entsprechend sein (und darauf aufbauend eben auch mein Tun und Handeln im Alltag).
Dies gilt auch, wenn ich mich Celtoi, Àsatrù, Wicca oder ähnliches nennt.

Begriffe aus Verlegenheit zu wählen, weil man ansonsten keinen anderen hat, der passender erscheint, mag für mich zwar einerseits nachvollziehbar sein (hab ich “damals” auch getan), aber letztlich sind es eben “nur” Lückenfüller für etwas, was dann vielleicht doch nicht so richtig in die entsprechende Schublade passt.
Manchmal bleibt einem dann nichts anderes übrigig, als sich Kunstworte zu kreieren (so mein “kemceltindophiler Paganismus” *lach* ).

Wer ist denn nun authentischer?
Ob Recon, Trad oder Patchwortker… Ich persönlich halte sie alle für authentisch.
Der springende Punkt ist hierbei, das man LEBT, was man von sich gibt.
Das “Wort und Tat eins” sind, oder um es noch mal mit der Wikipedia zu sagen:

“dass das Handeln einer Person nicht durch äußere Einflüsse bestimmt wird, sondern in der Person selbst begründet liegt.– Quelle: s.o.

Interessant finde ich an dieser Stelle auch die in der Wikipedia von den Sozialpsychologen Prof. D. Michael Kernis und Brian Goldman stammenden vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit sich ein Mensch als authentisch erleben kann:

Bewusstsein Ein authentischer Mensch kennt seine Stärken und Schwächen ebenso wie seine Gefühle und Motive für bestimmte Verhaltensweisen. Erst durch diese Selbstreflexion ist er in der Lage, sein Handeln bewusst zu erleben und zu beeinflussen.

Ehrlichkeit Hierzu gehört, der realen Umgebung ins Auge zu blicken und auch unangenehme Rückmeldungen zu akzeptieren.

Konsequenz Ein authentischer Mensch handelt nach seinen Werten. Das gilt für die gesetzten Prioritäten und auch für den Fall, dass er sich dadurch Nachteile einhandelt. Kaum etwas wirkt verlogener und unechter als ein Opportunist.

Aufrichtigkeit Authentizität beinhaltet die Bereitschaft, seine negativen Seiten nicht zu verleugnen.

Für mich entsprechen interessanter Weise diese vier Kriterien genau dem, was ich selbst unter Authentizität verstehe. Nur das es die beiden Herren ziemlich genau den Punkt gebracht haben und dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist.
Doch was bedeutet das denn eigentlich in Bezug auf Spiritualität und Religion?
Was hinsichtlich des Gehens auf einem heidnischen Pfad?

Als bekennende “Patchworkerin” möchte ich natürlich mal aus meinem Blickwinkel heraus kurz beschreiben, was ich dahingehend verstehe (und versuche zu leben 😉 ):

Bewusstsein:
Es bedeutet eben nicht nur meine eigenen Stärken und Schwächen zu kennen, und meine Gefühle und Motive für Verhaltensweisen. Selbstreflexion bedeutet in diesem Zusammenhang z.B. auch, mir bewusst zu machen, auf welchen Dingen (und warum) mein Pfad fußt. Es bedeutet, dass es mir bewusst ist, das ich einen Pfad gehe, der in dieser Form weder “a” (=authentisch), noch “uralt” oder gar eine geheimnisvolle Familientradition ist.
Es bedeutet auch, dass ich mir vor Augen halte, dass mein System sicherlich seine Schwachstellen, aber auch seine Stärken hat. Nach Motiven zu forschen bedeutet dann auch, dass ich damit auseinandersetze WARUM ich mich nicht zu 100%ig mit einem Pfad identifizieren kann/mag, sondern das mich eben nur bestimmte Dinge ansprechen.

Ehrlichkeit:
Die Ehrlichkeit spiel mit dem Bewusstsein natürlich auch ganz eng zusammen.
Ohne mir selbst und anderen ggü. ehrlich zu sein, findet ein bewusstes Sein meiner Meinung nach nicht statt.
Es beinhaltet eben, dass ich auch nach Außen hin danach stehe, dass mein Weg eben aus einem Konglomerat verschiedener Pfade besteht, das ich es aushalten und akzeptiere, wenn andere damit nichts anfangen können und/oder hinterfragen.
Es gehört aber auch dazu, dass ich mich eben mit den Pfaden, aus denen sich mein Pfad zusammensetzt auch ernsthaft auseinandersetze und erkenne, dass ich mich eben (aus verschiedenen Gründen) NICHT Celta/Wicca/Kemetin/Shakta/Àsatrù oder sonst was nennen KANN und auch dazu steheln sollte!
Und letztlich beinhaltet das natürlich auch, mich nicht hinzstellen und zu behaupten, das mein Pfad ururururur….alt und bis hinein in die Steinzeit -durch eine ununterbrochene Familientradition- reicht, sondern dass ich mich hinstelle und dazu stehe, in dem ich sage:
“Ja, das ist MEIN ganz persönlicher Weg, meine ganz persönliche Wahrheit, und Wahrnehmung, die auf meinen Erlebnissen beruht!”

Konsequenz:
Das bedeutet im Prinzip nichts anderes, als dass ich ganz allein mir, meinem Gewissen und meinen Göttern und Göttinnen ggü. zur “Rechenschaft” verpflichtet bin.
Diese Konsequenz beinhaltet aber auch, dass ich das, was ich als “gut”, für mich “richtig” und auch “weiterführend” erlebe, auch praktiziere. Wenn ich von einem Kemeten oder Celtoin “angemault” werde, weil ich der Meinung bin, dass ich auch die aus diesen Panthea stammenden Götter und Göttinnen während und mit meinem hinduistischen Puja verehren kann, dann gehört es für mich dennoch dazu, genau nach meinen Werten und Vorstellungen zu handeln, und diese nicht zu verwerfen, weil sie ein anderer als “falsch” bewertet.

Aufrichtigkeit:
Die “negativen” Seiten schaut sich natürlich niemand gerne an *g*.
Aber das ein “Patchwork”-Pfad auch so seine Tücken und “Fehler” hat, wie jeder andere Weg auch. Ist natürlich klar.
Aufrichtig in dieser Beziehung zu sein bedeutet in diesem Fall für mich z.B. auch anzuerkennen, das ich z.B. in einem Puja ggf. nicht auf die “Bedürfnisse” der Götter und Göttinnen anderer Kulte in dem Maßen eingehe(n kann), wie es für diese angebracht wäre.
Wobei ich mir sicher bin, dass Sie, wenn dem so wäre, schon ein entsprechendes Feedback gegeben hätten.

Authentizität empfinde ich persönlich als das Wichtigste überhaupt auf meinem Pfad, auch wenn dieser zugegeben nicht immer auf Zustimmung oder auf “Gegenliebe” stößt.
Wenn ich mich umsehe, dann sehe ich auch immer wieder, dass die Authentizität zu Gunsten von Gemeinschaftzu(sammen)gehörigkeit aufgegeben wird bzw. verloren geht, sobald Gruppenzwang und Manipulation mit ins Spiel kommen.
Ich kenne das Bedürfnis nach Gemeinschaft selbst nur zu gut, doch bin ich bei all dieser Sehnsucht nicht (mehr) bereit, mich selbst zu verraten.
Sicherlich gibt es auch Gemeinschaften, in dem die Authentizität der einzelnen Mitglieder gefördert und unterstützt wird, doch ich persönlich habe den Eindruck, dass dieser wenige sind.

Und nun? Nun ist die Frage nach dem “Wer ist denn nun authentisch?” immer noch nicht beantwortet.
Ich denke, es wird auch abschließend keine eindeutige und klare Antwort geben, weil jeder für sich selbst bewerten muss, wen oder was er für sich als “authentisch” betrachtet und in wieweit er oder sie selbst authentisch sein möchte oder sein kann.
Authentisch unauthentisch zu sein, wie es in dem Wiki-Artikel auch genannt wird, kann natürlich auch für Menschen ihre bevorzugte Art des Lebens sein. – Letztlich, so denk ich, muss man sich für eines entscheiden.

Die obigen Kriterien können meiner Meinung nach sicherlich eine gute Richtung geben, an der man sich orientieren kann.

BB
Siat