Momentan bin ich ja in meinem letzten Praktikum (endlich!) und arbeite daher in einem Akut-Krankenhaus.
Da ist es nur natürlich, dass mir bei der Arbeit auch Hospitz-Patienten begegnen.
In den letzten gut zwei Wochen habe ich zusammen mit einer Klassenkameradin eine Patientin behandelt, die einen schweren Insult (Schlaganfall) hatte (die Schwester sagte mir vorgestern, dass sich die gesamte Gehirnachse dadurch verschoben hatte und ein Großteil des Gehirns von dem Schlaganfall betroffen gewesen war), und darüber hinaus noch an einer Lungenentzündung litt.
Als meine Klassenkameradin die Verordnung zur Benhandlung bekam, und ich zusammen mit ihr hinging, war sie ein so zerbrechliches Persönchen…
Ich hab, wenn ich ehrlich bin, schon an unsrem ersten Behandlungstag gedacht, dass der Körper vermutlich schon sehr schwar ist…
Sie war sehr, sehr dünn. Ihre Unterschenkel und die Arme hatten die Umfänge von meinem Armen.
Es mag vielleicht etwas “seltsam” oder “abgehoben” klingen… Aber ich hab ein Gewisses Gefühl dafür, wenn eine Seele (bisweilen endlich) gehen möchte.
Das kündigt sich meist entweder durch Träume an, oder, wenn ich direkt mit dem Menschen (oder auch einem Tier) in Kontakt bin, durch ein seltsames Kribbeln im Magen und… ja…einem Gefühl an, als wenn jemand hinter mir stehen und mir mit einer kühlen Hand über den Nacken gegen den Strich streichen würde an.
Dieses sehr intensive Gefühl hatte ich bei Ihr bereits am Mittwoch.
Als ich Donnerstag Vormittag kam, sagte mir dann die Schwester, dass das Zimmer zu einem Hospitz-Zimmer werden würde. Als ich am späten Nachmittag noch mal zur Behandlung kam (vormittags war die Patientin erst frisch gelagert worden und die Schwester hatte mich gebeten, am Nachmittag noch mal zu kommen, und dann nur ganz entspannende und für die Patientin schöne und angenehme Sachen zu machen), war ihre Nachbarin entlassen worden uns sie ganz allein im Zimmer.
Es war ein wundervoller Tag, die Sonne schien, und durch das geöffnete Fenster drang der Gesang der Vögel.
Ich habe dann eine ganz sanfte Behandlung bei ihr gemacht und dabei für sie leise etwas gesungen.
Mag vielleicht seltsam anmuten… Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass (der “richtige”) Gesang sehr beruhigend wirken kann und der Seele hilft, los zu lassen.
Das es das “Richtige” war, hab ich daran gemerkt, dass der Atem deutlich ruhiger wurde.
Bevor ich dann später ging, hab ich ihr davon erzählt, wie schön der Tag sei. Die Vögel singen würde… Und welch ein wundervoller Tag es ist, um los zu lassen, frei zu sein, von den irdischen, körperlichen Fesseln und in den Strahlen der Sonne zu baden. Das sie loslassen und gehen könne.
Zum Schluss hab ich ihr dann ein Tor geöffnet (*tststs* und das in einem christlichen (evangelisch) Krankenhaus 3:) ) und ihr gesagt, dass es auf sie warten würde, wenn sie bereit dazu sei zu gehen.
Spät am Abend (zwischen 00h und 00:30h) überkam mich noch mal das Bedürfnis, nach entsprechenden Liedern zu gucken, die meiner Erfahrung nach den Übergang erleichtern…
Und sang (gedanklich) solche vor mich hin.
Als ich dann gestern auf die Station kam und nach der Patientin fragte, erzählte mir die Schwester, dass sie in der Nacht gegen 00:30h verstorben sei.
Wobei die Schwester auch etwas erleichtert darüber war, wie ungewöhnlich schnell es jetzt gegangen war… Normaler Weise, so meinte sie, würde es immer noch ein wenig länger dauern.
Nein, ich mag mir da sicherlich nix auf die Fahne schreiben…
Allerdings denke ich schon, dass Sterbebegleitung (sowohl aus der Nähe als auch aus der Ferne, wenn man um einen Menschen weiß, dessen Stunden auf der Erde nur noch begrenzt sind) ein sehr, sehr wichtiges Thema ist und wieder werden muss.
Denn es ist in unserer Gesellschaft (leider) immer noch ein Tabu-Thema, das es zum einen den Sterbenden sehr, sehr schwer macht, loszulassen und (weiter) zu gehen, aber zum anderen auch den Hinterbliebenen (so denn welche vorhanden sind).
In der Einsamkeit zu sterben, niemanden an der Seite zu wissen, der einen dabei unterstütz, wenn die Schatten des Todes einen zu umfangen beginnen, die letzte, ungewisse Reise anzutreten… Das schreckt viel Menschen. Und viele, so denke ich, sind dankbar dafür, wenn sich jemand an ihre Seite begibt, die Handhält und sie wissen lässt: “Es ist ok. Du darfst diesen Weg gehen. Du hast Deine Arbeit hier getan, Du darfst Dich zur Ruhe begeben und Dich auf die Reise zu etwas machen, das neu für Dich ist. Deine Angst ist ok, aber ich bin da, um Dich zu begleiten, um Dir Ruhe und Zuversicht zu geben.”
Dies ist natürlich eine “Aufgabe”, die schwer ist und auch Zeit in Anspruch nimmt. Nicht jeder ist dafür geeignet. Und grade, wenn es um die eigenen Angehörigen geht, vielleicht oft leichter gesagt, als getan.
Unsere Liebe und Zuneigung zu einem anderen macht es uns oft genug schwer, den-oder diejenige gehen zu lassen. Wobei, wenn wir ehrlich gegenüber uns selbst sind, doch häufig das eigene Wünschen und Wollen, unser “Haben-Wollen” eine Rolle spielt.
Gedanken wie “Wie kann er/sie mich allein lassen?”, “Warum verlässt er/sie mich?”, “Ich kann doch ohne sie/ihn nicht.”, “Sie/Er war mein Ein und Alles und nun hat sie/er mich verlassen.”, “Mein Leben ist leer ohne sie/ihn.”, “Sie/Er war noch viel zu jung zum Sterben”…
Usw. usf. können uns da einen kleinen Hinweis drauf geben, dass es schlicht und ergreifen nur um UNSER Bedürfnis, unser “Ego” geht. – Aber, auch das völlig ok und legitim! Und gehört auch zum Trauer-Prozess dazu, der uns aber letztlich dazu verhelfen sollte, los zulassen.
Das scheint von mir sicherlich alles sehr einfach dahergesabbelt sein.
Und bei alten Menschen mag das ja noch deutlich “einfacher” zu fallen, als z.B. bei Jugendlichen und Kindern, die meist völlig überraschend an den Folgen von Unfällen oder auf Grund von Krankheiten sterben, und noch gar keine Möglichkeit hatten, ihr Leben zu leben, es in seiner Fülle zu entdecken und auszukosten.
Einen (sehr) jungen Menschen zu verlieren ist wohl das einschneidenste und schrecklichste Erlebnis in einem Leben. Egal aus welchen Gründen dieser Verlust nun geschehen ist.
Er trifft uns mit einer so unerwarteten Härte und einem Schmerz, die uns die Sinne zu rauben droht und bei denen wir das Gefühl haben können, den Verstand zu verlieren.
Ich habe selbst einen Bruder verloren. Zwar waren mein anderes Brüderchen und ich da selbst noch sehr, sehr kleine Büxenschieter… trotzdem ist das nicht an uns (oder zumindest an mir) vorbei gegangen.
Nicht zu letzt auch deshalb, weil in der Familie eher darüber geschwiegen wurde/wird…
Und eine Verarbeitung dessen damit eigentlich total verhindert ist…
Wie dem auch sei…
Auch junge Menschen bedürfen einer entsprechenden Begleitung (ebenso wie die Angehörigen).
Und auch ihre Seelen haben das Recht gehen zu dürfen.-Wie schmerzhaft und schrecklich für uns diese Tatsache auch ist. Wie groß auch immer unser Hadern mit dem Schicksal, mit Gott (oder den Göttern) ist…
Der Tod ist ein Teil unseres Daseins. Er macht vor niemandem halt.
In jeder Sekunde sterben wir. Jede Sekunde bringt uns unserem biologischen Tod immer näher und näher.
Mit dem Eintritt in unseren Körper, in das materielle Dasein beginnt auch unser Sterben.
Wann wir tatsächlich gehen, wir unseren Körper tatsächlich verlassen… Ist eine Frage der Zeit.
-Egal wie weit wir auch gerne das Thema von uns weg schieben.
Die Heimat habe ich gefunden,
Die Heimat, die ich nie gesehn,
Wo man an Leib und Seele kann gesunden
Oh Heimatland, wie bist Du schön!
Autor: unbekannt